
Heute ist mit „Hamburger Aufstand“ das neue Album von Disarstar erschienen.
Mit dem Longplayer – 14 Songs und rund 40 Minuten Spielzeit – setzt der Hamburger Rapper seine politische Trilogie fort. Nach „Deutscher Oktober“ (2021) und „Rolex für alle“ (2022) richtet er den Blick allerdings nicht mehr nur auf einzelne Missstände, sondern auf das gesellschaftliche Ganze. Dabei wird deutlich, wie eng Persönliches und Politisches bei Disarstar miteinander verbunden sind.
Nach ausverkauften Tourneen und abgerissenen Festivalstages zog sich DISARSTAR vorerst zurück. Niemand konnte erahnen, wie und wann der Hamburger Rapper zurückkehren wird. Nicht einmal er selbst. Nach all den besorgniserregenden gesellschaftspolitischen Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre ist die Kultur und vor allem der deutschsprachige Rap in der Bringschuld. Viele fragen sich zurecht “Wo bleibt die Antwort der Kunst auf all den Sche*ß, der uns hier seit Jahren serviert wird?”
Und so ist es vielleicht auch nur logische Konsequenz, dass ausgerechnet DISARSTAR mit
“Hamburger Aufstand” die passende brachiale Antwort liefert. Wer auch sonst? – ”Du kannst dich auf mich verlassen, fühl mich Zuhause in den Gassen” (- Monumente). Doch DISARSTAR kommt nicht irgendwie zurück, nein, er hat sich zurückgezogen,um neue Kraft und neue Inspiration aus einer frischen Klarheit zu schöpfen – “Zurück von den Toten wie Jesus. Topfit und Kopf wieder klar wie der Blue Lake” (- Weisse Mit Dreads). Der Hamburger Rapper macht unmissverständlich klar, dass er noch längst nicht fertig ist. Doch er weiß, dass er für seine Arbeit jenen klaren Kopf und messerscharfen Blick braucht, denn “Hamburger Aufstand” ist eine Kampfansage und Anklage. Kampfansage und Anklage an vergiftete Diskurse in Talkshows, an die Selbstgefälligkeit und an ein kaputtes System, das Menschen kaputt macht und kaputte Menschen noch kaputter macht. Wer anklagt und zum “Hamburger Aufstand” aufruft, braucht Glaubwürdigkeit. Dieser Notwendigkeit ist sich DISARSTAR bewusst und so entstand mit der ersten
Singleauskopplung des Albums, „Saint-Tropez“, sein wohl bisher ehrlichster Song überhaupt. In nie da gewesener Kompromisslosigkeit teilt er seine Vergangenheit / Lebensgeschichte mit uns: reflektiert seine Jugend, gesteht Fehler und Gefühle dieser Zeit und gewährt einen intimen Einblick in sein tiefstes Inneres / seine Erfahrungen. Hier wird nichts von dem, was er durchgemacht, hat glorifiziert – im Gegenteil “(…) schlugen Leute bis zur Unkenntlichkeit, fühl mich unmenschlich. Tut mir unendlich leid. Noch heute wach ich regelmäßig schweißgebadet auf”. DISARSTAR übertrifft mit “Hamburger Aufstand” die Erwartungen des politischen Raps. Er hält einer immer stärker nach rechts schwankenden ”Mitte” den Spiegel vors Gesicht und verkörpert die Stimme jener, denen sonst keinerlei Gehör geschenkt wird. Er bringt zur Sprache, was eine ganze Generation im Stich gelassener Menschen fühlt und denkt: “Träume scheinen nicht wahr zu werden im Paradies von Nazierben und Gartenzwergen“.
DISARSTAR spricht das Offensichtliche an, was sich sonst niemand wagt anzusprechen:
“Wie viel Hass kann man in sich reinfressen bis man platzt? (…) Die Jugend schiebt Hass,
was hast du gedacht? Wo die Zukunft nicht lacht, wird die Wut entfacht” (- Wie viel). Dies
gelingt dem Hamburger Rapper nur, da er sich nicht als einen Aktivisten, sondern als Akteur eines Systems versteht. Als einen, der seine Stadt, seine Leute und deren Geschichten noch immer im Herzen trägt.Das Comeback ist die logische Weiterführung von ”Deutscher Oktober” und ”Rolex für Alle”, unter dem Anspruch den Status Quo niederzureißen. ”Hamburger Aufstand” analysiert das gesellschaftliche und politische Klima pointierter, als es Expert:innen jemals könnten. Entblößt die Selbstgefälligkeit jener, die in ihren Palästen sitzen und zur Waffe aufrufen. Und so schafft es DISARSTER mit “Meine Söhne geb ich nicht” eine zeitgenössische Anti-Nationalitätsstolz-Hymne zu kreieren, die einen absolut unabdingbaren Gegensatz zur kriegslüsternen Debattenkultur darstellt und gleichermaßen das mehr denn aktuelle Thema der Wehrpflicht umreißt : “Nichts ist hier sicher aber ein paar Dinge stehen fest: Würden nie sterben für ein Land das uns so Leben lässt”.
DISARSTAR ist gewachsen, geht mit breiter Brust und holzhackerischer Sicherheit voran,
um zum Aufstand aufzurufen, denn er ist sich bewusst, dass Resignation keinerlei Option ist und unverantwortlich wäre. “Hamburger Aufstand” wird in allerlei Belange den Ansprüchen echter Rapfans gerecht, denn es kommt von unten. So wie Rap. So wie DISARSTAR. So wie alles Gute.
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